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Als
der 22-jährige Rainer Werner Fassbinder 1967 die Bühne des
Antiteaters in München stürmt und kurzerhand die Inszenierung
an sich reißt, ahnt niemand der Anwesenden, dass dieser dreiste
Typ einmal der bedeutendste Filmemacher Deutschlands werden wird. Schnell
schart der einnehmende wie fordernde Mann zahlreiche Schauspielerinnen,
Selbstdarsteller und Liebhaber um sich. Er dreht einen Film nach dem
nächsten, die auf den Festivals in Berlin und Cannes für
Furore sorgen. Der junge Regisseur polarisiert: beruflich wie privat.
Aber die Arbeitswut, die körperliche Selbstausbeutung aller Beteiligten
und der ungebremste Drogenkonsum fordern bald ihre ersten Opfer.
ENFANT TERRIBLE ist eine große Verbeugung des Regisseurs Oskar Roehler
(ELEMENTARTEILCHEN, DIE UNBERÜHRBARE) vor der Filmikone Rainer Werner
Fassbinder. Mit einer kunstvollen Farb- und Lichtdramaturgie und außergewöhnlichen
Kulissen nähert sich Roehler dem Fassbinderschen Universum und verschmilzt
mit ihm. Episodenhaft erzählt er aus dem Leben des Künstlers
und zeigt dabei dessen ganze Bandbreite: vom genialen Regisseur über
den verzweifelt nach Liebe Suchenden bis hin zum unerbittlichen Schikaneur.
Dabei kann er sich voll und ganz auf seinen charismatischen Hauptdarsteller
verlassen: Oliver Masucci spielt den berühmten Filmemacher nicht nur,
er wird eins mit Rainer Werner Fassbinder.
ENFANT TERRIBLE wurde produziert von Bavaria Filmproduktion in Koproduktion
mit X Filme Creative Pool, WDR, BR und Arte und wurde gefördert durch
Film- und Medienstiftung NRW, Deutscher Filmförderfonds, FilmFernsehFonds
Bayern und Medienboard Berlin-Brandenburg.n.
Directors Note
Wenn sich jemand über die biederen Grenzen des deutschen Erzählkinos
hinweggesetzt hat, dann Fassbinder. Das lässt ihn einzigartig scharf
und schillernd dastehen.
Mir ging es wie Klaus Richter: den ersten Film, den ich sah, ich war damals
12 und es gab ein „Heimkino“ im Internat, in das etwa 20 Leute
passten, war „Händler der vier Jahreszeiten“. Dieser Film
hat sich wie ein Geschoss in das Herz des Zwölfjährigen gebohrt.
Fortan saß und wartete er, wann der nächste Fassbinder käme.
Und er kam bald. Nahezu im Halbjahresrhythmus kamen neue, kleine, teils
bizarre, teils tiefenscharfe Filme heraus, die ihren Zerrspiegel auf die
Gesellschaft richteten, die kleinbürgerliche, erzreaktionäre,
deutsche der frühen Siebzigerjahre, die der 12-, 13-, 14-Jährige
dann mitnehmen konnte, tief beeindruckt von der Wirkung, die sie in ihm
hinterlassen hatten. Es war eine deutsche Wirklichkeit, die er bisher nicht
kannte und über die er bisher nicht nachgedacht hatte. Fassbinders
Filme gaben ihm das Werkzeug und die Mittel anheim, dies zu tun. Was zur
Folge hatte, dass er selbst früh mit seinen ersten Versuchen zu schreiben
anfing. Diese Filme waren ein großer Segen innerhalb der Filmwüste
Deutschlands. Und als der 19-Jährige dann nach Berlin ging, auf den
Spuren der Einstürzenden Neubauten und eben jenes legendären
Fassbinders, der damals immer noch fast ein Berufsjugendlicher war, er
war Mitte dreißig, da suchte er schon bald die Orte auf, in der er
in der Nähe seines Idols und dessen Stars sein konnte, Ingrid Caven,
Kurt Raab, Volker Spengler und wie sie alle hießen, die sich schwer
betrunken in der Paris-Bar und im Bermuda-Dreieck rund um den Savignyplatz
herumtrieben und dort ihre ausschweifenden Partys feierten, und „drückte
seine Nase an die Scheiben“, weil er sich anfangs erst nicht hinein
traute. Später lernte er einige von ihnen kennen und hatte selbst
die Ehre mit ihnen zu drehen.
Was Fassbinder und seine Truppe so berühmt und berüchtigt machte,
war die Tatsache, dass sie es tatsächlich geschafft hatten, mit ihrem
giftigen Cocktail unterschiedlichster Filme die kulturelle Landschaft total
aufzumischen und ihnen schon der internationale Ruhm dämmerte. Es
war eine schwule Truppe von Hasardeuren, Mimen und Teilzeitschauspielern,
die dies erreichten, ein bunter Haufen, der überall her kam, aus der
tiefsten bayrischen Provinz bis hoch zu den Altstars der UFA. Der Zampano
von ihnen, der junge Fassbinder, der sich zum Schluss nur noch mit Spiegelglassonnenbrille
und ganz in Leder zeigte und keine Miene mehr verzog, immer zwei Bodyguards,
ebenfalls ganz in Leder, um ihn herum, war zu der Zeit der einzige Rockstar
im deutschen Kino und ist es bis jetzt geblieben. Er durfte Hotelzimmer
in Cannes verwüsten, Stars ernennen und andere fallen lassen und durfte
am Ende auch sein eigenes Leben zerstören, während die anderen
ihm dabei zusahen. Er brachte die Exzentrik und das Freiheitsgefühl
der schwulen Avantgarde ins deutsche Kino und in den deutschen Kulturbetrieb,
indem er auch bei den vielen Filmen, die mit dieser Thematik nichts zu
tun hatten, die Form versinnlichte, ästhetisierte und gleichzeitig
aktualisierte. Die Themen waren immer neu und aus der Gegenwart bei den
richtig guten Filmen. Einzigartig war sein Melodram „In einem Jahr
mit dreizehn Monden“, das mit poetischen und theatralischen Mitteln
spielte und sie in die Höhe trieb. Fassbinder kam ursprünglich
vom Theater, und das merkte man. Er erzählte, ähnlich streng
wie Brecht, gesellschaftliche Parabeln. Mutter Küster ist nur ein
Beispiel dafür.
Fassbinder hatte eben jenen Rock and Roll im Blut, den man nicht kaufen
kann. Er machte sie alle berühmt. Und Ruhm, das war auch wichtig.
Sich von den Außenseiterpositionen her durch Genialität Ruhm
zu erobern und in die Schlüsselposition der internationalen cineastischen
Aufmerksamkeit zu kommen. Andy Warhol, Jane Fonda, Dirk Bogarde. Er schielte
immer weiter nach Höherem, dabei wurden seine Filme immer hermetischer
und verrückter, und er selbst immer kaputter. Er hatte so viel abzuarbeiten
an sich, an der deutschen Gesellschaft, dass ein Leben, so stark auch immer,
einfach nicht ausreichen konnte. Der große Zirkus, das Rampenlicht,
die Drogen, die Legenden, die er schuf, haben ihn schließlich verschlungen.
Für mich war er ein Komet am nachtschwarzen Berliner Himmel, eine
grelle Neonreklame, die im Wind flatterte, ein Monolith, der bunte Farben
erfand, um sich in Szene zu setzen, der aber eigentlich aus dem kalten,
grauen Urgestein der deutschen Nachkriegsgesellschaft gemacht war. Mit
all den düsteren Gedanken, dem Pessimismus, den Selbstzweifeln, die
dazu gehörten. Jeder kaputte Held seiner Geschichten, der an sich
selbst zugrunde ging, war ein Teil von ihm selbst. Und mit jedem von ihnen
starb er selbst ein Stück. Am Ende ist er zu Kreuze gekrochen, wie
richtige Rock and Roller dies tun, ausgebrannt und sein Leben in Scherben
und ungeheuer einsam. Er hat Freundschaften im Feuerofen seiner Produktivität
verbrennen lassen und ist weitergezogen. „Leichen pflasterten“ seinen
Weg. 39 Filme haben wir ihm zu verdanken. Es war alles dabei: vom atemberaubenden
Melodram über herrliche böse schwarze Komödien bis hin zu
den großen Gesellschaftsdramen. Jeder Film war anders, fast jeder
Film eine Überraschung. Unfehlbar war er nicht. Perfekte Filme zu
machen war nicht sein Anspruch. Dazu war er zu impulsiv, letztlich zu emotional.
Er musste Leben vorlegen, um diese lebensnahen Filme zu machen. Das war
die Krux. Er hatte keinen Rückzugsort, wohin er sich hätte verkriechen
können, wie die anderen. Kunst und Leben waren vollkommen ineinander
verflochten.
Er war ein sehr junger Mann mit einer großen Weisheit und einer ebenso
großen Komik. Er war der Einzigartige, der Prägende unter den
deutschen Filmregisseuren und Autoren. Alles für die Kunst und leben,
als gäbe es kein Morgen. Nach dieser Devise leben heißt, nicht
alt zu werden. Fassbinder blieb es erspart, als Veteran vor sich hinzudümpeln,
sich nur noch zu wiederholen und langweiliges Zeug zu machen. Er starb
auf dem Höhepunkt seines schöpferischen Ruhms, im Alter von 37
Jahren.
OLIVER MASUCCI
Der deutsche Schauspieler Oliver Masucci wuchs in Bonn auf. Das Schauspielstudium
absolvierte er an der Universität der Künste in Berlin und
startete danach eine erfolgreiche Theaterkarriere: Von Basel (1995) über
das Schauspielhaus Hamburg (1996–2002), die Münchener Kammerspiele
(2001), das Schauspiel Hannover (2000–2005), das Schauspielhaus
Bochum (2003-2005), das Schauspielhaus Zürich (2005-2009) und die
Salzburger Festspiele (1999 und 2007) gelangte er an das Wiener Burgtheater.
Hier war Masucci von 2009 bis 2015 festes Ensemblemitglied.
Seinen Kinodurchbruch hatte der charismatische Schauspieler 2015 in der
satirischen Rolle als Adolf Hitler in der Bestsellerverfilmung ER IST
WIEDER DA von David Wnendt. Nicht nur an den Kinokassen feierte die Komödie
Erfolge, auch Kritiker lobten den Film, und Oliver Masucci konnte sich über
eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis freuen.
Zuletzt war Masucci in Caroline Links Jugendbuchverfilmung ALS HITLER
DAS ROSA KANINCHEN STAHL (2019) im Kino zu sehen. Zuvor spielte er neben
Tom Schilling, Paula Beer und Sebastian Koch in dem Oscar®-nominierten
Drama WERK OHNE AUTOR (2018) von Florian Henckel von Donnersmarck. Zeitgleich
spielte er außerdem in den Kinofilmen SPIELMACHER (2018) von Timon
Modersohn mit Frederick Lau und Antje Traue sowie in HERRLICHE ZEITEN
(2018) von Oskar Roehler, wofür er abermals für den Deutschen
Filmpreis nominiert wurde.
Im Fernsehen übernahm Oliver Massucci 2016 die Rolle des Ugly Joey
in Phillip Stölzls aufwändiger dreiteiliger Winnetou-Neuauflage
WINNETOU – DER MYTHOS LEBT und war in Sherry Hormanns zweiteiligem
Politthriller TÖDLICHE GEHEIMNISSE zu sehen. Für die preisgekrönte
deutsche Fernsehserie 4 BLOCKS stand er 2017 und 2018 vor der Kamera.
Seit 2017 begeistert Masucci die Serien-Fans als einer der Hauptdarsteller
in DARK von Baran bo Odar, der ersten deutschen Netflix-Serie. Später
spielte Masucci u.a. in dem ZDF-Dreiteiler PREIS DER FREIHEIT (2019)
neben Nadja Uhl, Barbara Auer und Nicolette Krebitz, in dem Fernsehfilm
PLAY (2019) von Philip Koch und übernahm eine Episoden-Hauptrolle
in der erfolgreichen Serie SCHULD (2015-2019) mit Moritz Bleibtreu. Aktuell
steht Oliver Masucci für DIE SCHACHNOVELLE unter der Regie von Phillip
Stölzl vor der Kamera..
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