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Die
Filmemacher Waad al-Kateab und Edward Watts haben einen beeindruckenden
Film gedreht.
FÜR SAMA (FOR SAMA) ist ein Vermächtnis an al-Kateabs im Krieg
geborene Tochter. Über Jahre hat die junge Frau mit ihrem Handy
und ihrer Kamera zunächst die Protestbewegungen und dann den furchtbaren
Krieg in Syrien dokumentiert. Sie hat das Leid der Menschen und der Personen
in ihrer unmittelbaren Nähe aufgezeichnet und findet selbst inmitten
der Bombardements Spuren von Freude und Lebensmut. Gerade durch diesen
Blick von Innen heraus ist der Film so besonders, so wahr, so entsetzlich
und unfassbar. Und doch ist er auch ein Zeugnis für das Miteinander
der Menschen, für den Zusammenhalt in Krisenzeiten und für
Toleranz.
Der Film ist ein Liebesbrief
der jungen Mutter Waad al-Kateab an ihre Tochter Sama. Über einen Zeitraum von fünf Jahren erzählt
sie von ihrem Leben im aufständischen Aleppo, wo sie sich verliebt,
heiratet und ihr Kind zur Welt bringt, während um sie herum der
verheerende Bürgerkrieg immer größere Zerstörung
anrichtet. Ihre Kamera zeigt auf berührende und unmittelbare Weise
Verlust, Überleben und Lebensfreude inmitten des Leids. Waad muss
sich entscheiden, ob sie fliehen und ihre Tochter in Sicherheit bringen
oder bleiben und den Kampf für die Freiheit weiterführen soll,
für den sie schon so viel geopfert hat.
FÜR SAMA
ist ein persönlicher
Dokumentarfilm in Form eines Liebesbriefes an ihre Tochter, den die damals
21-jährige Syrerin Waad al-Kateab von Beginn des
Aufstands in Aleppo bis zu den letzten Tagen der Belagerung gedreht hat.
Waad lebt mit Samas Vater Hamza zusammen – ein Arzt, der in der
letzten verbliebenen Klinik im aufständischen Aleppo arbeitet. Der
Ostteil der Stadt ist eingekesselt, täglich fliegen syrische oder
russische Streitkräfte Luftangriffe. Die Situation
ist lebensbedrohlich.
Also bereitet sie eine gefilmte Botschaft an ihre einjährige Tochter
vor, um ihr zu erklären, wer ihre Eltern waren, wofür sie kämpften
und wie Sama zur Welt kam. Ein Dokument für die Tochter für
den Fall, dass ihre Eltern nicht überleben.
Waads Geschichte
setzt 2012 ein, als sie an der Universität Aleppo
Marketing studiert. Die Studenten protestieren gegen die brutale Diktatur
Bashir al-Assads und Waad schließt sich ihnen an. Mit ihrer Kamera
fängt sie den Optimismus und die Fröhlichkeit
dieser Zeit des Aufbruchs ein. Sie lernt Hamza kennen und zusammen mit
ihren Freunden fordern sie weiter
Freiheit, obwohl das Regime immer brutaler reagiert und sich die Stadt
schließlich im Krieg befindet. Waad filmt weiter, während
viele ihrer Freunde von Heckenschützen,
Luftangriffen und Fassbomben getötet werden. Sie und Hamza sind
häufig
in Lebensgefahr, trotzdem macht Hamza Waad einen Heiratsantrag.
Sie heiraten und ziehen in ihre erste gemeinsame Wohnung. Schon bald
ist Waad schwanger. Erfahrungen, die unzählige junge Paare überall
auf der Welt teilen, doch Waad und Hamza leben ihre Liebe in einem apokalyptischen
Szenario. Als Russland im September 2015 dem Assad-Regime zu Hilfe kommt,
wird die Gewalt gegen die Rebellen immer brutaler. Obwohl sie um ihr Leben
fürchten, entscheiden sich Waad
und Hamza – anders als
viele andere – gegen die Flucht aus der Stadt. Sie wollen bleiben
und weiter für die Freiheit kämpfen. Es geht nicht mehr nur
um sie, sondern auch um die Zukunft ihrer Tochter. Sama kommt am 1. Januar
2016 zur Welt: Ein Hoffnungsstrahl im finsteren Chaos.
Das erste
Jahr in Samas Leben ist das Jahr der Entscheidungsschlacht um Aleppo.
Eine unvorstellbar düstere Zeit. Das Regime und seine Alliierten
schrecken vor keinem Gräuel zurück, um die Rebellen zu vernichten.
Hamzas Klinik wird bombardiert. Sie stehen unter Belagerung und erleben
Angriffe mit Chlorgas, Streu- und Fassbomben. Frauen und Kinder werden
grausam getötet. Und mittendrin freuen sich Waad und Hamza über
ihre Tochter,
erleben ihre ersten Monate, ihr Lachen und ihre kindliche Lebensfreude.
Das gibt ihnen die Kraft, weiter durchzuhalten und inspiriert auch die
anderen verbliebenen Rebellen.
Schließlich
müssen
sie doch besiegt aufgeben und sind gezwungen, ins Exil zu gehen. Sie
packen und nehmen weinend Abschied von der vernichteten Stadt, wo ihr
Traum
von Freiheit entstand und zerstört wurde. Doch sie nehmen ihre
Tochter mit – ein Zeichen von Liebe und Hoffnung, das auch die
Tyrannei nicht zerstören kann.
STATEMENT DER REGISSEURIN WAAD AL-KATEAB
Für mich ist es mehr als ein Film. Es ist mein Leben. Anfangs habe
ich ohne ein bestimmtes Vorhaben mein Leben und die Protestbewegung in
Syrien mit dem Handy dokumentiert, wie so viele andere Aktivisten auch. Ich
hatte keine Vorstellung davon, wohin mich dieser erste Schritt später
führen würde.
Die verschiedenen Emotionen, die wir durchlebten – Glück,
Verlust, Liebe – und die grausamen Verbrechen des Assad-Regimes
an der unschuldigen Bevölkerung waren einfach unvorstellbar… sogar
zu der Zeit, als wir sie selbst erlebten. Von Anfang an fühlte ich
mich zu Geschichten hingezogen, die vom Leben und von Menschlichkeit
erzählen. Ich wollte mich
nicht, so wie viele Nachrichtenkanäle, auf den Tod und die Zerstörung
konzentrieren. Als Frau stand mir in diesem konservativen Stadtteil Aleppos
die Lebenswelt der Frauen und Kinder offen, die Männern traditionell
verschlossen ist. So konnte ich den verborgenen Alltag vieler Syrer zeigen,
die inmitten des
Kampfes um Freiheit versuchten ihr Leben weiterzuleben.
Gleichzeitig lebte auch ich mein Leben weiter. Ich heiratete und bekam
ein Kind. Ich musste viele verschiedene Rollen gleichzeitig ausfüllen:
Mutter und Aktivistin, zivile Journalistin und Regisseurin. Die verschiedenen
Seiten meines Lebens geben dem Film seine Kraft, so empfinde ich es jetzt.
Ich möchte mit dem Film zeigen, dass er zwar meine Geschichte und
die meiner Familie erzählt, dass unsere Erfahrung aber nicht einzigartig
ist. Hunderttausende Syrer haben Ähnliches erlebt und erleben es
bis heute. Der Diktator, der diese Verbrechen verübt hat, ist immer
noch an der Macht und lässt unschuldige Menschen töten.
Unser Kampf um Gerechtigkeit ist heute noch ebenso aktuell wie zu Beginn
der Revolution.
Ich fühlte mich der Stadt, ihren Bewohnern und unseren Freunden
gegenüber verpflichtet, ihre Geschichten so zu erzählen, damit
sie nicht vergessen werden und niemand die Wahrheit dessen, was wir erlebt
haben, verfälschen kann. Den Film fertigzustellen war fast so schwer
wie die tatsächliche
Zeit in Aleppo. Ich erlebte alles wieder und wieder. Ich bin sehr dankbar
für das großartige
Team, mit dem ich arbeiten durfte, welches sich so für mich, meine
Geschichte und Syrien eingesetzt hat.
Ganz besonders danke ich meinem Mitregisseur, Edward Watts. Er hat mir
die Last von den Schultern genommen. Gemeinsam konnten wir aus den vielen
Schichten meines Lebens und des vorliegenden Materials die Geschichte
des Films gestalten.
BIOGRAPHIE WAAD AL-KATEAB (Regie und Kamera)
Im Januar 2016 begann Waad al-Kateab, für Channel 4 News das Grauen
von Aleppo zu dokumentieren. Ihre erschütternde Filmreihe trug den
einfachen Titel INSIDE ALEPPO. Ihre Berichte für Channel 4 News über
den Syrien Konflikt und die daraus folgende komplexe humanitäre
Krise wurden zu den meistgesehenen des britischen Nachrichtensenders.
Sie wurden online knapp 500 Millionen Mal angeklickt und gewannen insgesamt
24 Preise –
darunter den Emmy für Breaking News Coverage 2016. Waad studierte
Marketing an der Universität von Aleppo, als 2011
die Proteste gegen das
Assad-Regime das Land erfassten. Wie Hunderte andere Syrer wollte sie
das Grauen dieses Krieges dokumentieren und wurde so zur zivilen Journalistin.
Sie brachte sich das Filmen bei und begann das Leid und Elend um sie
herum aufzunehmen – während Assads Truppen und die Rebellen
um die Kontrolle über
Aleppo kämpften. Sie erlebte die vernichtende Belagerung, dokumentierte
die schrecklichen Verluste an Menschenleben und schuf dabei einige der
unvergesslichsten Aufnahmen aus dem sechs Jahre andauernden Konflikt.
Als sie und ihre Familie im Dezember 2016 aus Aleppo evakuiert
wurden, gelang es ihr, das gesamte Material unbemerkt mitzunehmen.
Waad lebt mit ihrem Ehemann Hamza und zwei Töchtern in London.
STATEMENT DES REGISSEURS EDWARD WATTS
Dieser Film ist von allen Filmen, an denen ich mitgearbeitet habe, der
wichtigste. Ich habe den Aufstand in Syrien von Beginn an verfolgt.
Hinter all den Lügen
und der Propaganda, habe ich nach der Wahrheit gesucht, um verständlich
zu machen, was in dem Land geschieht. Diese Wahrheit ist verkörpert
im Mut, der Aufrichtigkeit und der Selbstlosigkeit von Waad, Hamza und
Sama. Sie sind außergewöhnliche Menschen, Vorbilder für
uns alle in unserer heute so unruhigen und zerrissenen Welt. Meine Dokumentarfilme
konzentrieren sich auf den Humor und die Menschlichkeit, die wir mit
all denen gemeinsam haben, die in
den entlegensten Gebieten der Welt um ihre Existenz kämpfen. Diese
Wahrheit wird uns retten, nicht das falsche Auseinanderdividieren, das
heute von vielen verbreitet wird. Die Tatsache,
dass wir es versäumt haben, den Protest der Syrer und ihren Kampf
um Freiheit zu unterstützen und sie dem brutalen Assad-Regime überlassen
haben, ist die direkte Ursache für viele der Probleme, die uns heute
beunruhigen: die Entstehung des IS, der Aufstieg der
extremen Rechten, die Flüchtlingskrise und die schleichende Gewöhnung
an willkürliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Kriegsgeschehen.
Waads Geschichte kann der Welt endlich zeigen, was wirklich geschehen
ist, damit wir die Tragweite unserer Fehler erkennen und vielleicht dafür
sorgen können,
dass sich so etwas nicht wiederholt. Es war mir eine besondere Ehre,
den Film mir ihr gemeinsam machen zu dürfen.
BIOGRAPHIE EDWARD WATTS (Regie)
Edward Watts hat als preisgekrönter, für den BAFTA-Award nominierter
Filmemacher über zwanzig Spiel- und Dokumentarfilme gedreht. Seine
Filme erzählen
Geschichten von Mut,Heldentum und Humor aus der ganzen Welt. Ihre Bandbreite
reicht von Kriegsverbrechen im Kongo bis zum bunten Alltag der Bewohner
der Favelas von Rio de Janeiro.
Seine Dokumentation „Escape from ISIS“ zeigte 2015 die brutale
Unterdrückung der geschätzt vier Millionen Frauen, die unter
dem Regime des Islamischen Staates lebten und berichtete zum ersten Mal
im Fernsehen von einem Untergrund-Netzwerk, das versuchte, möglichst
viele von ihnen zu retten. Er gewann zahlreiche internationale Preise
und
Nominierungen, u.a. gewann er den Internationalen Emmy Award und wurde
2016 für den BAFTA Award Bester Dokumentarfilm nominiert.
Der GUARDIAN sprach von einem „atemberaubend mutigen Stück“,
der SPECTATOR meinte, der Film sei „so wichtig, dass er in einem
Atemzug mit dem Bericht über
die Befreiung des KZs Bergen-Belsen durch die britische Armee genannt
werden müsse“.
Premier David Cameron erwähnte den Film in einer seiner großen
Reden zum IS. Edward Watts wurde im
Juli 2015 auch vom Außenpolitischen Komitee im US-Kongress zu seinen
wichtigsten Rechercheergebnissen befragt.
Sein erster Kurzfilm erzählt die wahre Geschichte eines siebenjährigen
afghanischen Jungen, der in einem Kühllaster versteckt auf dem Weg
nach Großbritannien
ist, als der Sauerstoff knapp wird. Er wurde erstmals im Oktober 2017
auf dem BFI-Festival in London gezeigt und
war seitdem weltweit auf vielen großen Festivals zu sehen.
Edwards Arbeiten erzählen ergreifende Geschichten von Menschen aus
der ganzen Welt und legen den Schwerpunkt auf die gemeinsame Menschlichkeit.
Er möchte
damit einen positiven Beitrag leisten, um den Hass in unserer zerrissenen
Welt abzubauen. Er hat einen
sehr guten Blick für das Unerwartete: die Innigkeit, die selbst
in der trostlosesten Umgebung entstehen kann, die Momente der Hoffnung
inmitten schrecklicher Ereignisse. Seine fesselnde Erzählweise und
seine beeindruckende Bildsprache bilden die Grundlage für seine
Filme.
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